Der Lehrer Stephan Haller berichtet über den Gewinn des Funkenflug-Goldpreises, der an drei Schulklassen im Schulhaus Hasel in Spreitenbach vergeben wurde. Mit dem Preisgeld kauften die Klassen Jonglierbälle für alle. Seither wird im gesamten Schulhaus intensiv jongliert.

Früher waren die Kurzpausen zwischen den Lektionen im Schulhaus Hasel in Spreitenbach oft etwas laut und wild. Obwohl offiziell verboten, flogen da und dort Fussbälle durch den Gang. Irgendwo muss die Energie raus, wenn man später wieder konzentriert im Schulzimmer sitzen muss. Das Bild hat sich im letzten Schuljahr stark geändert. Spaziert man jetzt durch das Schulhaus, trifft man überall Schülerinnen von der ersten bis zur sechsten Klasse an, die mit Jonglierbällen im Gang stehen und an ihrer Wurftechnik üben. "Gut so! Wirf den Ball noch etwas höher", spornt eine Lehrerin ihren Schüler an. Die Stimmung ist konzentriert – und ziemlich leise. Denn nur, wenn man sich konzentriert und den Wurf immer und immer wieder übt, kreisen die Bälle irgendwann in der Luft. Klar fallen sie zu Beginn oft auf den Boden hinunter. Aber der Aufprall eines Jonglierballs auf dem Boden ist um ein Vielfaches leiser als der Aufprall eines Fussballs.
Die Projektverantwortlichen haben sich riesig über den Prozessor-Gewinn des "Büro für Ideen und Lösungen" (Erfinderprojekt mit Stefan Heuss) gefreut und lange überlegt, was man sich mit dem Preisgeld alles leisten könnte: Mit allen Beteiligten ins Kino, ins Theater oder an ein Konzert? – Doch irgendwie fand das Projektteam dies alles zu wenig nachhaltig. Das Thema Jonglage kam auf, da bereits eine Klasse erste Versuche wagte und am Trainieren war. Andere bewunderten die Fähigkeiten der Mitschülerinnen und Mitschüler und wollten auch. Nach einigen Abklärungen, Offerten und dem Kontakt zum "Starjongleur" Kaspar Tribelhorn wurde schnell klar: Das machen wir! Alle Schülerinnen und Schüler und alle Lehrerinnen und Lehrer im gesamten Schulhaus bekamen je drei Jonglierbälle geschenkt – dank den innovativen und fleissigen TTG-Lehrerinnen sogar mit einem persönlich beschrifteten Stoffsäckchen zur Aufbewahrung. Die Freude war gross, und die Lust, das Jonglieren auszuprobieren, auch. Doch wie startet man so ein Projekt richtig?
Flugs wurde der Jonglierprofi Kaspar Tribelhorn für einen Workshop für Lehrerinnen, Lehrer und die Schulleitung engagiert, so dass auch Anfängerinnen und Anfänger wichtige Inputs bekamen und mit ihrer Klasse üben konnten. Gleich am Folgetag sah man die ersten Klassen, die trainierten. Von da an breitete sich das Jonglierfieber im gesamten Schulhaus aus. Die Bälle flogen hin und her. "Es war eine grosse Freude, wie eifrig alle übten und schnell immer besser wurden", erinnert sich die Schulleiterin Bettina Stade.

Zeit, sich für seine Koordinationsschwierigkeiten oder Anfängerkenntnisse zu schämen, gab es nicht. Es ging ja allen gleich: Anfangs fielen die Bälle oft runter. Aber statt sich zu ärgern, wurde weiter und weiter trainiert. So übten sich neben dem Jonglieren auch alle in Resilienz. Einige Klassen nahmen die Bälle mehrmals pro Tag in die Hand, andere etwas weniger – und viele wollten gar nicht mehr aufhören. "Jonglieren ist gesund und macht glücklich", sagt Kaspar Tribelhorn. Diese Parameter sind zwar nicht messbar, aber subjektiv stimmen viele Lehrpersonen im Hasel heute dieser Aussage zu. Das Jonglieren hat einen gemeinsamen Nenner geschaffen, der Schülerinnen und Schüler verbindet.
Da wurden neue Freundschaften geschlossen und gegenseitig Tipps ausgetauscht. Und so manch einer liess sich anspornen, um noch besser werden. Am Tisch im Schulhausgang sitzt ein Lehrer und schaut seit bald einer Viertelstunde seinem Schüler zu. Dieser beherrscht die Technik des Jonglierens nahezu perfekt. "Ist er im richtigen Rhythmus, dann ist sein Jonglieren fast unendlich", erklärt der Lehrer schmunzelnd. "Die Fortschritte sind gross und der Spass noch viel grösser." Jonglieren macht wacher und konzentrierter, erklärt Kaspar Tribelhorn auf seiner Webseite. Das wollten die Lehrerinnen und Lehrer im Hasel auch und liessen sich gegenseitig von der Faszination und den positiven Faktoren des Jonglierens anstecken.
Dass das Jonglieren auch einen Einfluss auf den normalen Unterricht hat, weiss man seit einigen wissenschaftlichen Untersuchungen. Im Schulhaus Hasel stand der Spass im Mittelpunkt. Und dennoch hat das Jonglieren auch Einfluss auf den Unterricht. "Die Pausen werden ruhiger und ufern nicht mehr aus. Danach wieder in den Unterricht einzutauchen ist viel einfacher", sagt ein Fachmann. Jonglieren hilft also.
Einige Kinder beherrschen das Jonglieren zwischenzeitlich so gut, dass sie ihre Lehrerinnen und Lehrer in der Ausdauer weit überholt haben. In einem Wettbewerb vor den Sommerferien wurde verglichen, wer am längsten ohne Unterbruch jonglieren konnte. Das ganze Schulhaus Hasel fieberte in der Turnhalle mit und feierte die Gewinnerinnen und Gewinner. Die besten zehn Jonglierkinder erhielten als besonderes Geschenk eine private Lektion vom Starjongleur Kaspar Tribelhorn. Das Schulhaus Hasel bewegt sich. Neben dem Preisgeld gab es einen zusätzlichen Beitrag aus dem regulären Schulbudget, und so können auch für zukünftige Schülerinnen und Schüler Jonglierbälle angeschafft werden. Man darf gespannt sein, wie sich das Projekt weiterentwickelt…
Text: Stephan Haller
Der Artikel erschien am 11.11.25 im Newsletter von Kultur macht Schule
Quelle: www.ag.ch/de/themen/kultur-sport/kultur/kultur-macht-schule/
Über Stephan Haller
Stephan K. Haller, Pädagoge, Journalist und Kulturmanager, arbeitet als Primarlehrer in Spreitenbach, war mehrere Jahre Journalist und Chefredaktor verschiedener Medien im Mittelland und in der Ostschweiz und ist Präsident eines Kinder- und Jugendtheaters (Junge Bühne Toggenburg) in Lichtensteig. Er hat verschiedene Künstlerinnen und Künstler und Kulturinstitutionen begleitet oder Projekte initiiert und war als Geschäftsleiter der KlangWelt Toggenburg am Aufbau des Klangwegs, der Kursangebote beteiligt und für das Klangfestival "Naturstimmen" verantwortlich.
